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1000 Gebisse – 1 Wahrheit

Das Gebiss ist eine Erfindung, die sich bis ca. 2000 v. Ch. nachvollziehen lässt. Das heißt im Klartext, dass wir uns heute noch immer einer Methode anvertrauen, die vor über 4000 Jahren angewandt wurde. 

Das alleine lässt schon zu Denken übrig, oder ? 

Alles wird heutzutage revolutioniert, hinterfragt, erneuert, verbessert und grundsätzlich erstmal skeptisch betrachtet. 

Nicht so das Gebiss. 

Ganz im Gegenteil gibt es mittlerweile hunderte von Varianten in allen erdenklichen Formen, Wirkungen und Materialien. 

Nun könnte man sagen : 

Offensichtlich hat es sich bewährt, deswegen wird daran festgehalten. 

Absolut ! 

Bewährt hat es sich, wenn man von dem Standpunkt ausgeht ein großes, schweres, wildes und kräftiges Tier „im Zaum“ zu halten. 

Nun stellt sich allerdings die Frage, zu welchen Preis. 

Mit Sicherheit wurden damals andere Prioritäten gesetzt und man wußte weder über die physiologischen noch die psychologischen Eigenschaften des Pferdes bescheid. 

Das hat sich aber glücklicherweise, ganz besonders in den letzten Jahren, drastisch geändert. 

Mittlerweile wissen wir sehr wohl, dass ein Tier Schmerz und Angst empfinden kann. 

Wir verlangen nicht selten Höchstleistungen von unseren Pferden und sollten entsprechend lernen auf ihre Bedürfnisse, als auch ihre Fähigkeiten, einzugehen. 

Und das ein Pferd durchaus bereit zu Höchstleistungen ist, wenn man ihm physisch und psychisch gerecht wird, wurde von unzähligen guten und pferdefreundlichen Reitern bereits bewiesen, nicht zuletzt durch die Methode des Halsring- oder Bitless-Reitens.

Die anatomischen Fakten

Abgesehen davon, dass man heute weiß, dass eigentlich kein Platz für ein Gebiss im Maul des Pferdes vorhanden ist, d.h. selbst ohne Zügelwirkung ein konstanter Druck auf die Zunge, die den kompletten Raum im Inneren des Mauls ausfüllt, entsteht, gibt es noch einige andere Faktoren, die gegen den Gebrauch eines Gebisses sprechen.


Wir wollen hier mal näher auf die Funktionskreise Ernährungsverhalten und Lokomotion (also Bewegung) eingehen, die beide eine entscheidende Rolle spielen, wenn man verstehen will, was im Pferdekörper, während der Benutzung eines Gebisses, passiert.

Funktionskreis Ernährung

Im Funktionskreis Ernährungsverhalten, also in unserem Fall beim Fressen, was normalerweise in Ruhe und Entspannung stattfindet, kann ein Pferd bei reiner Trockenfütterung täglich 40 bis 50 Liter Speichel produzieren, der viele wichtige Inhaltsstoffe für die optimale Verdaulichkeit und Futterausnutzung liefert. 

Gleichzeitig werden in diesem Zustand Herz-, Hirn- und Lungenfunktion auf ein Minimum herabgesetzt. 

Dies sind keine, vom Pferd bewußt gewählten Vorgänge, sondern ein von der Natur des Pferdes vorgegebener physiologischer Prozess.

Des Weiteren wird der Reflex des Schluckens nur durch die Maulbewegung beim Fressen ausgelöst.

Funktionskreis Lokomotion

 

In der Bewegung, Schritt, Trab, Galopp oder jegliche andere Bewegungsformen, liegt der Fokus der physiologischen Ansprüche des Pferdes auf der Atmung. 

Herz-, Hirn- und Lungenfunktion laufen auf Hochtouren. 

Die Muskulatur wird entsprechend mit Sauerstoff versorgt. 

Das Maul ist geschlossen und der Schluck-Reflex deaktiviert.

Das heißt : Keine Nahrungsaufnahme – keine Speichelbildung – kein Schluckreflex !

Was passiert nun während des Gebrauch eines Gebisses im Pferdekörper ?

Das Pferd assoziiert das Gebiss im Maul mit „Nahrungsaufnahme“.
Speichelproduktion wird gestartet.

Schluckreflex wird aktiviert.

Herz-, Hirn- und Lungentätigkeit werden reduziert.

Die vermehrte Speichelproduktion an sich wäre beim reiten nicht unbedingt das größte Problem, jedoch der damit verbundene Schluckreflex ist durch die Körperhaltung beim reiten, entgegen der natürlichen Körperhaltung beim fressen, extrem eingeschränkt. 

Das heißt, das Pferd versucht zu schlucken, was ihm aber durch die extreme Genickwinkelung bei Aufnahme der Zügel nicht, oder nur erschwert, möglich ist. 

Zudem wird die Atmung erschwert, was gerade im Galopp „Taktunreinheit“ zur Folge haben kann.

Außerdem wünscht sich wahrscheinlich kein Reiter, dass sein Pferd während der Reitstunde seine Herz-, Hirn- und Lungentätigkeit reduziert. 

Ganz im Gegenteil verlangen wir unseren Reitpferden so einiges ab und fordern volle Konzentration und Leistungsbereitschaft.

 

Wie du siehst, befinden wir uns hier in einem physiologischen Dilemma !

 

Abgesehen davon, wollen wir , dass unser Pferd uns möglichst zu 100% vertraut….während wir selber uns eines mächtigen Werkzeuges bedienen, dass dem Pferd durchaus große Schmerzen zufügen könnte. 

Und leider kann sich aus diesem Umstand, besonders bei recht sensiblen Pferden, auch leicht eine Verhaltensauffälligkeit entwickeln.

Ich glaube, wer Vertrauen erwartet, sollte den ersten Schritt tun !

Es gibt noch viele weitere Gründe, aus denen man zum Umdenken bereit sein sollte.

 

Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel

Mit dem Gebiss bedienen wir Menschen uns eines mächtigen Werkzeuges. Schon  viele habe ich sagen hören, dass sie über die notwendige ruhige Reiterhand, den unabhängigen, ausbalancierten Sitz und die mentale Ausgeglichenheit verfügen, um mit dieser „interspezifischen Kommunikationshilfe“ verantwortungsvoll umgehen zu können.

Und genau so oft habe ich gesehen, dass diese Aussage eine völlige Überschätzung der eigenen Fähigkeiten war. 

Selbstverständlich gibt es genügend Reiter und Reiterinnen die durchaus in der Lage sind verantwortungsbewusst mit einem Gebiss im Pferdemaul umzugehen, doch bin ich davon überzeugt, dass genau diese Menschen es gar nicht nötig haben, sich eines solchen Werkzeuges zu bedienen. 

Wer das Verständnis und die Empathie aufbringen kann zu verstehen, was es für das eigene Pferd bedeutet, hat auch das Zeug dazu, sein Pferd Teil dieses Weges sein zu lassen um eine Partnerschaft aufzubauen, die nicht durch ein Stück Metall im Pferdemaul kontrolliert wird, sondern auf einer klaren Kommunikation und beiderseitigen Kooperation beruht.

 

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