Heute werden wir uns die Welt der Pferde-Sozialarbeit und die 7 notwendigen Schritte zum Pferde-Sozialarbeiter in einem kurzen Überblick ansehen. Der Begriff Sozialarbeit im Zusammenhang mit Pferden – du kannst es auch als Integrationshilfe für Pferde in die Welt der Menschen betrachten – scheint dir vielleicht auf den ersten Blick noch etwas fehl am Platz zu sein, aber mit dieser Verwirrung werden wir jetzt und hier aufräumen. Von den Grundlagen der Pferde-Sozialarbeit über den Dialog zwischen Mensch und Pferd bis hin zu den interspezifischen Wechselwirkungen werden wir alles kurz und knackig erläutern, damit du dir ein Bild von der Pferde-Sozialarbeit machen kannst. Also, los geht’s!
Schritt # 1:
Die Grundlagen
Bevor du dich an die große Aufgabe machst, deinem vermeintlichen Problempferd die Integrationsstütze zu sein, die es braucht, solltest du dich zuerst mit den Anforderungen für diesen selbst gewählten Job vertraut machen. So bist du gewappnet für alle Aufgaben, die wahrscheinlich auf dich zukommen werden. Die Pferde-Sozialarbeit ist nicht gleichzusetzen mit Pferde-Training, bei dem man sich ausschließlich auf den Lernprozess des Pferdes konzentriert. Hier geht es um Lernen und Wachsen auf beiden Seiten des Führstricks. Dazu ist auch eine große Portion Selbstreflexion notwendig. Nur wenn du dazu bereit bist, solltest du die Herausforderung annehmen.
Dieses Wissen hilft dir jedoch nicht weiter, solange dir die Möglichkeiten der interspezifischen Kommunikation, also der Kommunikation zwischen zwei verschiedenen Spezies, nicht offen stehen. Die klare und verständliche Kommunikation zwischen Mensch und Pferd ist nicht selten die größte Herausforderung und zugleich häufig der Ursprung von Verhaltensauffälligkeiten und -störungen.
Um die Situation deines Pferdes sowie eure Beziehung zueinander mit allen Sinnen begreifen zu können, musst du dich in die Sprache deines Pferdes und seine arttypischen und individuellen Bedürfnisse hineinversetzen können. Dazu gehört nicht nur jede Menge Fingerspitzengefühl, sondern auch eine geballte Ladung an Hintergrundwissen über die Natur des Pferdes.
Als Pferde-Sozialarbeiter gibt es einige wichtige Eigenschaften, die du mitbringen solltest oder im Laufe des Prozesses erlernen kannst:
- Empathie und Einfühlungsvermögen
- Reflexionsfähigkeit
- Kommunikationsstärke
- Geduld
- Verantwortungsbewusstsein
- Analytisches und kritisches Denken
- Durchsetzungsvermögen
- Konfliktfähigkeit
- Problemlösungsfähigkeit
- Kreativität
- Selbstständigkeit, als auch Teamfähigkeit
- Eine gute Beobachtungsgabe
- Lösungs- und zielorientiertes Arbeiten
- Strukturiertes und methodisches Arbeiten
- Fachwissen
Ich weiß, das ist eine beeindruckende Liste – fast beängstigend. Aber keine Sorge, ich bin sicher, dass du bereits einige dieser Punkte abhaken kannst.
Schritt # 2:
Die Analyse
Um den Weg zu beschreiben, den du mit deinem Pferd vor dir hast, ist die Analyse ein grundlegendes Element. Hier wird der Ist-Zustand genau betrachtet, um von hier aus den Soll-Zustand zu definieren.
Durch die genaue und detailreiche Betrachtung der aktuellen Situation unter verschiedenen Gegebenheiten, die im Pferdealltag leider oft übersehen werden, beginnt bereits das Verständnis für den Konflikt zu entstehen. Hier entstehen wahrscheinlich die meisten Aha-Momente des gesamten Prozess.
Betrachte diesen Schritt als eine Art Brainstorming mit Struktur. Auch wenn du glaubst, dein Pferd und eure Situation bereits gut zu verstehen, solltest du den Schritt der detaillierten Anamnese und Analyse auf keinen Fall vernachlässigen. Kleinere Missverständnisse in eurer Kommunikation könnten bereits hier aus dem Weg geräumt werden.
Schritt # 3:
Das Pferd
Das Wissen über die Ethologie, die natürlichen Verhaltensweisen des Pferdes, ist eine der stabilsten Säulen der Pferde-Sozialarbeit. Um Pferdeverhalten analysieren und deuten zu können, muss ein Vergleich zum arttypischen Normalverhalten angestellt werden können. Nur so kann definiert werden, ob ein gezeigtes Verhalten tatsächlich als Verhaltensstörung eingestuft werden kann oder ob es sich lediglich um ein von Menschen unerwünschtes Verhalten handelt. Die Maßnahmen, die durch diese Differenzierung angeleitet werden, unterscheiden sich erheblich voneinander. Jede Maßnahme kann also nur erfolgversprechend sein, solange das ursprüngliche Verhalten korrekt eingestuft wird.
Wird ein Verhalten also vom Pferdehalter missverstanden und entsprechend falsch darauf reagiert, kann dies die Situation und damit das emotionale Wohlergehen des Pferdes noch verschlimmern. Es entsteht Verwirrung und Frustration beim Pferd, da seine Bemühungen der Kommunikation ins Leere laufen. Dies ist nicht selten der Beginn des Weges in eine Verhaltensstörung – und das trotz größter Bemühungen des Pferdehalters. Durch ein möglicherweise kleines Missverständnis in der Kommunikation entsteht Stress und Frustration auf beiden Seiten. Sehr schade, denn eigentlich sind doch Mensch und Pferd bemüht, das Richtige zu tun. Diese Abwärtsspirale lässt sich durch das Wissen über die Ethologie der Pferde zum Glück nahezu ausschließen.
Schritt # 4:
Der Mensch
Aber wem nutzt schon all das Wissen über unsere Pferde und ihr Verhalten, solange wir nicht in der Lage sind, unsere eigenen Emotionen und die daraus entstehenden Handlungen zu steuern? Aus diesem Grund sind das Mindset und die Selbstreflexion des Pferdehalters die zweite stabile Säule der Pferde-Sozialarbeit.
Hierzu gibt es viele aufschlussreiche und nicht weniger spannende Themen, die dich nicht nur in deiner Mensch-Pferd-Beziehung, sondern auch indirekt in deinem Pferdealltag unterstützen können.
Hier sind ein paar Beispiele von Themen, die auch in der Pferde-Sozialarbeit eine Rolle spielen:
- Ziele und Gründe
- Erwartungen
- Selbstvertrauen
- Glaubenssätze
- Fremdbestimmung
- Hindernisse und Möglichkeiten
- Ängste
- Selbstbestimmung
- Umgang mit Fehlern
…um nur einige wenige zu nennen.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, als hätten diese Begriffe mit deiner Mensch-Pferd-Beziehung zu tun, glaube mir, das haben sie!
Sobald du anfängst, dich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen, kannst du gar nicht anders, als zu verstehen, welchen Einfluss dein Selbstbild auf andere hat – auch auf dein Pferd.
Schritt # 5:
Der Dialog
Der Dialog zwischen dir und deinem Pferd bedeutet weit mehr als nur die bekannte Kommunikation während eurer gemeinsamen Arbeitseinheiten oder Reitstunden.
Da wir Menschen die komplette Kontrolle über den Lebensstil unserer Pferde haben, beinhaltet der Dialog beispielsweise auch Entscheidungen über die Haltungsform, die Herdenzusammensetzung, Fütterungszeiten und -dauer und ähnliches.
Es geht hierbei um einen authentischen Austausch zwischen Mensch und Pferd, dessen Sinn ein gemeinsames Ziel ist und der über die individuellen Möglichkeiten des Einzelnen hinausgeht.
Kurz und gut: Es geht um gleichberechtigte und faire Teamarbeit.
In diesem Schritt ist Weitblick gefragt. Kleine Details in der Haltungsform, äußere Einflüsse oder die Persönlichkeit von Mensch und Pferd können einen ungeahnt großen Einfluss auf das harmonische Zusammenspiel von Mensch und Pferd haben.
Last but not least zählt zum Dialog natürlich auch der direkte Umgang mit dem Pferd unter Berücksichtigung der arttypischen und individuellen Bedürfnisse, des Lernvermögens, der Vorlieben und Talente sowie der Möglichkeiten und Hindernisse von Mensch und Pferd.
Schritt # 6:
Der Plan
Natürlich ist all das Wissen, das du dir bis hierhin angeeignet hast, genauso wichtig wie die Erkenntnisse, die daraus entstehen. Aber nun geht es an die Praxis. Denn dein Wissen allein bringt dich noch nicht ans Ziel.
Aufbauend auf der Analyse, der Ethologie, der Selbstreflexion und den Kommunikationsgrundlagen bist du nun an dem Punkt, einen strukturierten Arbeits- oder Therapieplan zu erstellen. Deinen roten Faden, der dich durch den gesamten Prozess führt und auf dich und dein Pferd individuell maßgeschneidert ist. Kein 08/15 „How to…“, sondern ein Plan, der alle Möglichkeiten und Hindernisse von Mensch und Pferd individuell berücksichtigt.
Der zweite Punkt in diesem Schritt hat die Aufgabe, deine Motivation sowie die Motivation deines Pferdes aufrechtzuerhalten. Denn je nach Ausgangssituation kann es einige Zeit in Anspruch nehmen, bis du die ersten großen Ziele erreichst.
Eine der großen Hürden, die Pferdehalter in einer herausfordernden Situation mit ihrem Pferd zu überwinden haben – und an der leider sehr viele scheitern – ist die Kontinuität. Allzu oft wird frühzeitig aufgegeben, um eine neue Taktik auszuprobieren, einen anderen Ansatz zu starten oder dem Ratschlag eines Freundes zu folgen. In den seltensten Fällen führen diese Maßnahmen zum Ziel. Im Pferdekopf (und auch im Menschenkopf) machen sich Verwirrung, Verunsicherung und Selbstzweifel breit – leider gar keine gute Voraussetzung.
Ein individuell gestalteter Plan mit Erfolgsanalysen ist also in diesem Fall ein extrem hilfreiches Werkzeug.
Schritt # 7:
Die Wechselwirkungen
Nachdem du all diese Schritte gegangen bist, wirst du rückblickend erkennen, wie dich dein Problempferd und deine Entscheidung, die Herausforderung anzunehmen, zum Positiven verändert haben. Diese positive Veränderung bleibt allerdings nicht im Pferdestall hängen, sondern spiegelt sich auch in deinem pferdefreien Alltag wider.
Jetzt ist der Moment gekommen, in dem du deinem Pferd für sein auffälliges Verhalten dankbar sein kannst.
Darauf einen Sack Möhren und ein unverschämt lautes: ‚Yee-haw!‘ 🙂
Das reicht dir noch nicht?
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